Ein Prozess, der "voranschreitet": aktueller Stand und unerwartete Neuigkeiten

Nach fast drei Jahren Wartezeit wurden endlich die ersten Prozesstermine für die bekannten Geschehnisse anlässlich des Spiels HCAP-Lausanne festgelegt. Die Art und Weise und der Zeitpunkt sollten nun aber auch die Unaufmerksamsten zum Nachdenken anregen. Zunächst einmal wird es zwei Prozesse geben. Der erste Prozess gegen 5 als „besonders gefährlich“ eingestufte Ambrì-Piotta-Fans findet am 22. Oktober 2020 am Strafgericht von Bellinzona statt und kann als Schaufenster der ganzen Medienfarce und Hexenjagd betrachtet werden. Das Datum des zweiten Prozesses gegen die übrigen 12 Beschuldigten ist noch nicht bekannt. Gleichzeitig - und das ist die unerwartete Neuigkeit dieser Tage - sorgt Herr Rechtsanwalt Canevascini, der vom HCAP zur Vertretung seiner Interessen im Rahmen der Privatklägerschaft ernannt wurde, für eine Überraschung: er unternimmt eine unerklärliche Flucht nach vorne und versetzt der Curva Sud einen Dolchstoß in den Rücken. Canevascini legte im Namen des HCAP Berufung gegen die kollektive Vertretung der Beschuldigten durch unseren Vertrauensanwalt ein. Auf sechs Seiten “Juristenjargon” versucht er einige Wochen vor dem Prozess die Karten neu zu verteilen und alle in große Schwierigkeiten zu bringen. Neben der Feststellung der angeblichen Illegalität der kollektiven Verteidigung aufgrund eines angeblichen Interessenkonflikts bei unserem Anwalt fordert er vom Gericht gleichzeitig, dass sich jeder Beschuldigte einen eigenen Anwalt suchen oder einen Anwalt von Amtes wegen erhalten soll. Der Grund für diese unerwartete Handlung ist auf den ersten Blick nicht offensichtlich. Vielleicht ein persönlicher Groll, vielleicht eine Geste politischer Unterwürfigkeit (Präsident Lombardi, von einem Mitglied der GBB zu diesem Thema befragt, sagt, er wisse nichts darüber), vielleicht Druck durch hohe Kreise in der Justiz oder durch den bekannten Staatsrat oder vielleicht einfach die Unfähigkeit, die Situation zu lesen. Tatsache ist, dass der ungeschickte Angriff des Vertreters der Valascia Immobiliare und des HCAP ausschließlich ein Angriff auf Ambrì-Piotta und das Herz der Curva Sud darstellt. Ein Angriff ohne Logik und ohne Sinn und bestimmt nicht fördernd für die Interessen des Vereins.

Wir haben ehrlich gesagt nie erwartet, dass die Valascia Immobiliare und der HCAP sich von der Beteiligung am Prozess in der Rolle der Privatkläger zurückziehen würden. Wir wollen uns diesbezüglich auch nicht darauf einlassen, was wir immer (auch finanziell) für den HCAP getan haben. Aber in einer ohnehin schon unsicheren Situation und angesichts der schweren Entscheidung, in diesem letzten Jahr der Valascia der Curva Sud fernzubleiben, ist Canevascinis Vorgehen nicht nur selbstschädigend und dumm, sondern auch zumindest verdächtig. Die Ereignisse, die sich an jenem Sonntag im Januar in der Valascia ereignet haben, sind allen bekannt. Wir sind davon ausgegangen, dass wir uns gegen die Anschuldigungen des Staatsanwalts (unter der Leitung des bekannten Staatsrats) durch unseren frei gewählten Anwalt verteidigen dürfen. Wir sind aber nicht davon ausgegangen, dass wir uns auch gegen den Anwalt unseres Herzensvereins wehren müssen, der eigentlich kein Interesse daran haben sollte, die Situation der eigenen Fans zu verschlimmern (die, je nachdem wie opportun es gerade erscheint, mal geliebt und mal gehasst werden). Aber offensichtlich stehen ganz andere Dinge auf dem Spiel.

Bereits aus der Untersuchung der Geschehnisse des 14.1.2018 durch unseren Anwalt ergaben sich etliche unbequeme Fakten und Verantwortlichkeiten, daraufhin seltsames Schweigen und fehlende Antworten: dies kann niemanden gleichgültig lassen! Nach fast drei Jahren des Wartens sollte dann im August dieses Jahres der erste Prozess plötzlich innerhalb weniger Wochen abgehandelt werden. Seltsam, nicht wahr? Welchen Sinn und welche Logik hat diese Eile nach so langer Zeit des Schweigens? Und ist diese neueste Attacke durch Canevascini tatsächlich seine Idee oder kommt der Vorschlag von anderswo?

Eine erste plausible Antwort könnte sein, dass hinter der ganzen Geschichte derjenige steht, der von einem einseitigen Prozess über „Gewalt“ profitieren würde, derjenige, dessen politische Agenda darin besteht, dass alle Fans geknebelt und fichiert werden. Derselbe, der einflussreiche und mächtige Positionen anstrebt und dies nicht nur auf kantonaler Ebene.

Die zweite plausible Antwort, eine direkte Folge der ersten, wäre, dass dieser Angriff von demjenigen, der nicht mehr weiß, welchen Fisch er fangen solle, nichts weiter als seine Angst ausdrückt, was aus einem fairen Prozess hervorgehen könnte. Die Angst davor, dass das fragile Lügengebilde zusammenbricht, dass sich die nachträgliche gewaltige Polizeioperation und die Anschuldigungen als eine weitere Farce herausstellen und dass die (gewollten oder ungewollten) Mängel auf Seiten der Polizei und dem privaten Sicherheitsdienst aufgeklärt werden, die an jenem Tag im Januar für alle Anwesenden klar ersichtlich waren. Die Gründe für den Wunsch stattdessen eine der einzigen organisierten Fankurven im Tessin - sicherlich die kämpferischste und ärgerlichste - zu spalten, zu zerstückeln und zu zerstören, wurden bereits mehrfach genannt. Und wir glauben, dass es nicht nötig ist, auf sie zurückzukommen, sie scheinen so offensichtlich zu sein.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt und bis zur Aufklärung dieser Vorgänge werden wir weiterhin so handeln, wie wir es für richtig halten. Sicherlich immer mit Liebe und bedingungslosem Respekt für Ambrì-Piotta, das wir allen Attacken zum Trotz auch in diesem x-ten schwierigen Moment unterstützen wie nur möglich. Dies aber in Zukunft ohne einem dieser „kleinen“ großen Vereinsherren ins Gesicht zu schauen. Und wir werden weiter kämpfen – gegen den Strom – für unsere Freiheit, für unsere Art, so zu sein, wie wir eben sind, für unsere Weise, so zu handeln, wie wir handeln, und dafür, dass wir nicht gleichgeschaltet und schubladisiert werden.

Wir sehen uns am Prozess.

Non ci avrete mai come volete voi.

Gioventù Biancoblu – Curva Sud – Ambrì-Piotta